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Übersicht Partnerländer

Menschen ohne Ketten e.V. arbeitet derzeit in der Elfenbeinküste und Burkina Faso. Die Standorte der zehn westafrikanischen Partnerzentren verteilen sich weiträumig über beide Länder.

Start der Vereinsaktivitäten war 2003 in der Elfenbeinküste, in der Stadt Bouaké. Bis 2012 war das psychiatrische Zentrum der Association St. Camille die einzige Partnerorganisation. Seit 2013 erweiterte sich das Spektrum durch zwei Neugründungen von St. Camille in der Elfenbeinküste auf 3 Zentren.
Im Jahr 2016 weitete sich das Engagement auch nach Burkina Faso aus, zuerst mit einem kleinen engagierten Verein in Piéla, im Osten des Landes. Bis 2022 stieg die Zahl der Partnerorganisationen stetig an, so dass aktuell 6 private psychiatrische Initiativen im ganzen Land verteilt unterstützt werden können. Auch in der Elfenbeinküste kam 2023 eine neue Kooperation dazu.


Ausgangssituation – Fixierung psychisch erkrankter Menschen

Es gibt zu wenig psychiatrische Versorgungsangebote in Westafrika. Angehörige sehen sich daher hilflos mit der Krankheit konfrontiert. Aus Verzweiflung und Ohnmacht werden Kranke fixiert und von ihrer Umwelt isoliert.

Das Phänomen der ‚Kettenmenschen‘ war bei der Vereinsgründung eine wichtige Triebfeder: Für den Journalisten Wolfgang Bauer und seine Mitstreiter war es ein Herzensanliegen, diese massive Menschenrechtsverletzung zu beenden und Betroffenen dauerhaft zu helfen. Es wurde Geld gesammelt, um Medikamente für die Erkrankten finanzieren zu können, die Zuflucht im Zentrum der Association St. Camille gefunden hatten. Bis 2015 wurden dafür rund 272.000 € an Spendenmitteln gesammelt und nach Bouaké gesendet.
Gleichzeitig wurden Maßnahmen verstärkt, um die Bevölkerung über psychische Erkrankungen zu informieren – damit Betroffene frühzeitig von ihren Familien in das psychiatrische Zentrum gebracht und behandelt werden können. Der Erfolg der Aufklärungsarbeit zeigt sich inzwischen im Umfeld aller Partnerorganisationen: Die Fixierung von psychisch Kranken ist selten geworden, da die Menschen besser informiert sind!


Ausgangssituation - Leben auf der Straße

In vielen westafrikanischen Ländern sind psychische Krankheiten nach wie vor mit einem Stigma versehen oder durch Ängste geprägt. Dies führt häufig dazu, dass Betroffene von ihren Familien verstoßen werden und unter schwierigen Bedingungen auf der Straße leben.

„Les fous“ (die Verrückten) finden sich in allen afrikanischen Städten: mit zerrissener Kleidung, verfilzten Haaren und häufig unverständlichem Verhalten sieht man sie auf den Märkten, neben der Straße oder in provisorischen Verschlägen in geschützten Ecken. Sie überleben unter prekärsten Bedingungen: Sie erbetteln oder stehlen ihre Nahrung, sind Wind und Wetter ausgesetzt und erleben häufig Gewalt. Die staatlichen Behörden sind unzureichend ausgebildet und erkennen die gesundheitliche Problematik meist nicht. Die erkrankten Menschen werden geduldet, solange sie nicht aggressiv sind, aber häufig geraten sie in Konflikt mit den Ordnungshütern oder mit Verkehrsteilnehmern. Diese besonders von


Befreiung von den Ketten

Familien mit erkrankten Angehörigen sind aufgeschlossen gegenüber Hilfsangeboten - sie sind meist sehr dankbar für das Angebot der medizinischen Behandlung durch unsere Partnerzentren. Damit ist der Weg frei, die angelegte Fixierung zu entfernen. 

Diesem Schritt geht meist eine behutsame Aufklärung der Angehörigen über die Besonderheit psychischer Erkrankungen voraus. Notwendig ist auch, dass die Mitarbeitenden der psychiatrischen Zentren verstehen, welche Symptome und welche Krankheitsgeschichte der jeweilige Patient bisher erlebt hat. Hier wird also vor Ort eine erste grobe Anamnese erstellt, die später bei der psychiatrischen Behandlung im Zentrum hilfreich ist.
Der Weg bis zur Stabilisierung ist steinig: Durch die oft lang andauernde Fixierung und die damit zusammenhängende unzureichende Körperpflege und Ernährung leiden die Betroffenen in vielen Fällen an weiteren Erkrankungen, z.B. der inneren Organe. Auch Muskulatur und Gelenke werden durch die fehlende Bewegung meist dauerhaft geschädigt und müssen mit viel Geduld wieder aufgebaut werden.


Willkommen im Centre Jubilé Korhogo

Das im Norden der Elfenbeinküste gelegene Centre Jubilé in Korhogo öffnete im Jahr 2000 erstmals seine Türen. Seit 2013 in der Verantwortung der Ordensschwestern „Filles de la Croix“, erhielt es 2020 den offiziellen Status einer privaten psychiatrischen Klinik.

Wichtigstes Prinzip der Behandlung und Betreuung psychisch erkrankter Menschen im Centre Jubilé Korhogo (CJK) ist die Verbindung von professioneller psychiatrischer Diagnose und Therapie durch einen Facharzt mit einer liebevollen, von menschlicher Nähe und Zuwendung geprägten Haltung des Personals. Die Patient/innen können sich angenommen fühlen und werden behutsam und geduldig auf ihrem Weg zur Heilung begleitet. Dafür stehen nicht nur die leitenden katholischen Schwestern ein, sondern ebenso das weitere Fachpersonal. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Religionszugehörigkeit die Patienten angehören: alle werden gleichermaßen auf- und angenommen. Dieses Prinzip der gleichen Behandlung aller Menschen, unabhängig von Religion, Geschlecht, Alter oder Status, gilt in allen unseren Partnerzentren. 


Gelände Centre Jubilé

Für die akutpsychiatrische Behandlung stehen im Centre Jubilé insgesamt 70 Betten sowie ein großzügiges Gelände zur Verfügung. Das Zentrum betreut zudem rund 3000 stabilisierte Patientinnen und Patienten ambulant.

Innerhalb des Zentrums werden einige Aktivitäten angeboten: Eine Bibliothek steht sowohl den stationär behandelten Menschen und ihren Begleitpersonen sowie der lokalen Bevölkerung zur Verfügung. Dadurch wird der Austausch mit Externen gefördert.
Für die sportliche Betätigung wurde 2021 ein kleiner Fitnessraum eingerichtet, der zur Mobilisierung und Aktivierung dient und sehr gut angenommen wird. Außerdem besteht im großen Versammlungsraum regelmäßig die Möglichkeit zum Tanzen sowie für kreative Tätigkeiten mit einem lokalen Künstler. All dies hilft bei der Wiederbelebung der positiven Lebensgeister!

Zudem befindet sich auf dem Gelände eine kleine Kapelle, die von den katholischen Ordensschwestern genutzt wird und allen Menschen – egal welcher Konfession – für die spirituelle Einkehr offensteht.


Pflegeteam Centre Jubilé Korhogo

Zehn ausgebildete Pflegekräfte und qualifizierte Hilfskräfte ermöglichen gemeinsam mit den Ordensschwestern Sr. Janine und Sr. Gisèle eine kompetente Behandlung sowie die liebevolle Begleitung aller Patienten. 

Jährlich werden im Partnerzentrum über 7000 psychiatrische Sprechstunden durchgeführt, dabei wurden in den letzten zwei Jahren ca. 800 Neuaufnahmen jährlich verzeichnet – Tendenz steigend! Durch verstärkte Aufklärungsmaßnahmen des Centre Jubilé wissen immer mehr Menschen über psychische Erkrankungen Bescheid und bringen erkrankte Angehörige zur Behandlung nach Korhogo. Das zeigt den enormen Bedarf an psychiatrischer Versorgung, stellt das Zentrum jedoch zunehmend vor Kapazitäts-Probleme: Die Mitarbeitenden können den Ansturm kaum noch bewältigen. Mit seinen vier Außenstellen in den Städten Ferkessedougou, Ouangolo, Koutiali und Boundiali ist das Centre Jubilé zudem das einzige psychiatrische Zentrum für das riesige Einzugsgebiet in der Nordregion der Elfenbeinküste!


Essen hält Leib und Seele zusammen

Die Versorgung mit Essen für alle Patienten stellt eine große Herausforderung dar. Teils werden die Lebensmittel selbst angebaut. Gerne wird gemeinsam mit den Angehörigen gekocht.

Für eine erfolgreiche Behandlung ist natürlich eine ausreichende und ausgewogene Ernährung wichtig. Diese wird in unseren Partnerzentren zum größten Teil kostenfrei angeboten, zum Teil ergänzen die anwesenden Familienmitglieder den Speiseplan für ihre erkrankten Angehörigen. Für die Küchenarbeit müssen jedoch alle – je nach ihren Möglichkeiten – mit anpacken: Unter Leitung einiger erfahrener Mitarbeiterinnen werden große Mengen an Essen gekocht. Für den beliebten Yamsbrei (Fufu) ist dabei auch einiges an körperlichem Einsatz notwendig (s. Foto). Für die leckeren Soßen braucht es dagegen beim Abschmecken etwas Fingerspitzengefühl.    


Unterbringung

In allen Zentren gibt es getrennte Schlafräume für Männer und Frauen. Die Patientinnen und Patienten tragen dabei gemeinsam die Verantwortung für die Sauberhaltung der Zimmer. 

Die Schlafräume werden meist mit 6-10 Personen belegt und sind mit kleinen Holzregalen für die persönlichen Dinge der Patienten ausgestattet. Moskitonetze finden sich bisher nur in wenigen Zentren. Dies liegt zum einen an den zusätzlichen Kosten, spiegelt aber auch die


Leben im Zentrum

Körperpflege ist ein wichtiger Aspekt der Begleitung der psychisch erkrankten Menschen. Zur Vermeidung hygienischer Probleme werden Haare kurz gehalten, Nägel geschnitten und Kleidung regelmäßig gewaschen. Hier macht es offenbar Spaß!  

Die Patientinnen und Patienten werden von den Mitarbeitenden regelmäßig dazu angehalten, sich selbst um ihre Körperpflege zu kümmern. Wo dies aufgrund der akuten Krankheitsphase nicht möglich ist, werden sie praktisch unterstützt, solange dies notwendig ist. Besondere Herausforderungen stellen diejenigen erkrankten Menschen dar, die unter einer Inkontinenz leiden. Hier ist viel Geduld auf allen Seiten gefragt! Auch die Versorgung der menstruierenden Frauen erfordert kreative Lösungen. Für beide Fälle stehen in Afrika kaum geeignete Produkte zur Verfügung.


Leben im Zentrum: Kinder

In den meisten Einrichtungen für Menschen mit psychischen Krankheiten bleiben die Kinder der Betroffenen während des stationären Aufenthalts außen vor. Leider führt dies aufgrund gesellschaftlicher Bedenken oft zu einer dauerhaften Trennung der Kinder von diesem Elternteil.

 In Afrika kümmern sich Familien traditionell um Kinder, deren Eltern gesundheitliche Probleme haben, so auch bei einer psychischen Erkrankung eines Elternteils. Durch die weitverbreitete Angst und Stigmatisierung dieser Krankheiten besteht allerdings die Tendenz, die Trennung auch nach einer Stabilisierung der Mutter oder des Vaters aufrechtzuerhalten. Darunter leiden meist beide Seiten! Daher wird zurzeit in einem Partnerzentrum in Bobo-Dioulasso ein Konzept entwickelt, das es erlaubt, Kinder gemeinsam mit erkrankten Müttern für eine Behandlung aufzunehmen. Dies vermeidet nicht nur die Trennung, sondern ermöglicht es den Müttern auch, sich gut auf den Alltag mit Kind nach der Rückkehr vorzubereiten.


Leben im Zentrum

Während des Aufenthaltes werden vielfältige Beschäftigungsangebote für die Patientinnen und Patienten angeboten. Spiele - wie hier das traditionelle Awale – sind bei allen sehr beliebt.

In den letzten Jahren konnten in den meisten Partnerzentren erste Ansätze einer Tagesstruktur aufgebaut werden. Mit fachlicher Unterstützung durch Mitglieder von Menschen ohne Ketten sowie teilweise Projektfinanzierung wurden ergotherapeutische Maßnahmen, Bewegungsangebote sowie gemeinsame Freizeitgestaltung ermöglicht. Im Centre Jubilé kann z.B. im Fitnessraum auf dem Rad oder mit Hanteln trainiert werden. Musik und Tanz, gemeinsames Kochen oder Malen gehören ebenso zum Alltagsleben des Zentrums wie verschiedene Spiele. Damit wird das Leben im Zentrum bereichert, die stationär aufgenommenen Patienten werden aktiviert und auf die Rückkehr in den Alltag vorbereitet.


Aufnahme in das Zentrum

Erkrankte Menschen kommen auf verschiedenen Wegen ins Zentrum. Meist werden sie von Angehörigen gebracht, teils von Mitarbeitenden abgeholt. Hin und wieder kommt jedoch auch ein Krankenwagen zum Einsatz.

Sofern betroffene Familien über psychische Erkrankungen Bescheid wissen, bringen sie bei auftretenden Symptomen ihre erkrankten Angehörigen in das nächstgelegene psychiatrische Zentrum zur Behandlung. Dies ist Gott sei Dank immer häufiger der Fall, wie insbesondere die steigende Sprechstundennutzung im Centre Jubilé und in anderen Partnerzentren zeigt.
Dennoch gibt es leider noch viele Familien, die betroffene Mitglieder ohne medizinische Unterstützung zu Hause verstecken oder fixieren. Dann sind häufig Hinweise von Nachbarn oder anderen Beobachtern der Anlass, dass Mitarbeitende sich um die erkrankten Menschen bemühen.
In einzelnen Fällen werden Patienten auch durch die Polizei oder andere Ordnungskräfte in die Psychiatrie eingeliefert, insbesondere wenn diese sich aggressiv oder auffällig verhalten. Das Personal der Sicherheitskräfte ist inzwischen in beiden Ländern für den korrekten Umgang mit psychisch Kranken sensibilisiert worden, sodass die Kooperation mit den Partnerzentren in den meisten Fällen gut funktioniert.    


Sprechstunde

Psychiatrische Fachkrankenpfleger übernehmen die täglichen Sprechstunden im Centre Jubilé. Hier nimmt Joséphine Kouadio einen neuen Patienten auf. Außerdem werden die stationär behandelten Personen regelmäßig untersucht und ambulant betreute Patienten erhalten ihre Kontrolluntersuchungen.

In der Elfenbeinküste wie auch in Burkina Faso sind psychiatrische Fachärzte knapp. Daher übernehmen in den meisten (staatlichen wie privaten) Zentren Psychiatriekrankenpfleger die Hauptarbeit in der ärztlichen Versorgung: Sie stellen Diagnosen, verordnen die Medikamente und übernehmen Verantwortung für die weitere Therapie.
Im Centre Jubilé wechseln sich Zoumana Koné und Joséphine Kouadio mit den Diensten ab. Sie werden fachlich unterstützt durch den Psychiater Dr. Blaise Brou N’Guessan, der jeden Monat 4 Tage lang in Korhogo Untersuchungen durchführt. Er ermöglicht gleichzeitig Supervision für das Personal – ein Luxus, den nicht alle Zentren genießen. 


Medikamentenausgabe

Zur Behandlung von psychischen Krankheiten, wie z.B. schweren Persönlichkeitsstörungen oder schizophrenen Psychosen sind Medikamente oft unabdingbar. Problematisch ist, dass es zu wenig Präparate gibt und sie zudem teuer sind.

Die medikamentöse Versorgung aller in den Zentren stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten stellt eine riesige Herausforderung für die privaten Zentren dar. Die Menge benötigter Tabletten und Injektionen ist bei den größeren Zentren meist ein Problem: für rund 300 stationär behandelte Patienten in Bouaké und mehrere tausend ambulant betreute Menschen in Korhogo müssen zuverlässig die jeweiligen Präparate bereitgestellt werden. Dabei werden in den beiden Partnerländern vorwiegend Medikamente der ersten Generation verwendet, da diese noch am einfachsten zu beschaffen sind. Um die Medikamente für die häufig sehr armen Familien möglichst kostengünstig abgeben zu können, werden in erster Linie Generika verschrieben. Leider sind selbst diese einfachen Mittel nicht so einfach vor Ort zu erhalten – die Versorgungswege sind in beiden Ländern für privat betriebene Psychiatrien nicht klar geregelt und von häufigen Lieferengpässen geprägt.
Daher unterstützt der Verein Menschen ohne Ketten seit vielen Jahren die Zentren bei der Beschaffung von Neuroleptika und Psychopharmaka: Bis 2021 wurden über 400.000 € aus Spendenmitteln bereitgestellt, um notwendige Präparate vor Ort einzukaufen oder von Europa aus zu verschicken.


Therapieangebote

Ergänzend zu der medikamentösen Behandlung werden seit einigen Jahren begleitende therapeutische Maßnahmen als wichtige Elemente im Heilungsprozess eingesetzt. Diese helfen beispielsweise bei der Mobilisierung, wie hier beim Malen.

In Westafrika sind Ergo- und Beschäftigungstherapie noch weitgehend unbekannt. Die Partnerzentren sind jedoch durch eine Reihe von Fortbildungen, die von Menschen ohne Ketten organisiert wurden, auf die positiven Wirkungen aufmerksam geworden. Durch z. T. sehr einfache Maßnahmen können vielfältige Verbesserungen erreicht werden: Die teils sehr massiven Nebenwirkungen der Psychopharmaka werden abgemildert und soziale Kontakte zu anderen Patienten aufgebaut. Physische Einschränkungen, z. B. in der Feinmotorik der Hände, können ausgeglichen werden, sodass die erkrankten Menschen wieder für Alltagsaufgaben befähigt werden. Letztlich tragen die Aktivitäten dazu bei, dass die Betroffenen Lebensfreude gewinnen, ihr Selbstbewusstsein verbessern und zunehmend am ‚normalen‘ Alltag teilhaben können.  


Physiotherapie

Ort: Cote Ivore  - Korhogo

Verletzungen und andere körperliche Schädigungen, die im Zusammenhang mit der psychischen Krankheit entstanden sind, werden ebenfalls behandelt. Oft zum ersten Mal erfährt ein Betroffener, dass er ganzheitlich wahrgenommen und betreut wird.

Der Aspekt der körperlichen Gesundheit ist insbesondere bei chronisch erkrankten Menschen sowie Betroffenen, die längere Zeit fixiert waren oder auf der Straße gelebt haben, immens wichtig: Bei diesen liegen oft multiple Schädigungen vor, die den Genesungsprozess der psychischen Krankheit stark beeinträchtigen können. Viele Patientinnen und Patienten leiden beispielsweise aufgrund Mangelernährung an Problemen des Verdauungsapparats, haben Diabetes oder Herzfehler. Immer wieder verletzen sich erkrankte Menschen während der akuten Krankheitsphasen oder werden durch Misshandlungen langfristig geschädigt. All diese somatischen Erkrankungen und Verletzungen müssen in den Zentren erkannt und mitbehandelt werden, um eine erfolgreiche Stabilisierung der betroffenen Menschen zu erreichen. Daher wurde das Personal darin geschult, ein offenes Ohr und eine aufmerksame Betreuung zu gewährleisten. Im Centre Jubilé konnte der Mitarbeiter Henri sogar für eine Basisausbildung in Physiotherapie gewonnen werden – was von den Patienten dankbar angenommen wird!


Tanz als therapeutische Maßnahme

Auch Tanz- und Bewegungstherapie wird im Centre Jubilé regelmäßig angeboten. Mit afrikanischer Musik stößt diese Aktivität auf positive Resonanz.

Es braucht nicht viel für diese Aktivitäten: Eine Musikanlage reicht aus, um für gute Stimmung zu sorgen! Mit beliebten afrikanischen Trommelrhythmen und angesagten Musikstücken sind die meisten Menschen schnell in Bewegung. Auch einfache Bewegungsspiele oder Gymnastik helfen, die Muskulatur sowie die Koordinationsfähigkeit zu verbessern. Die dabei unvermeidlichen Begegnungen mit anderen Teilnehmenden sorgen zudem für ein gutes soziales Miteinander von Patientinnen und Patienten.


Musiktherapie

Ort: Burkina Faso  - Bobo Dioulasso 


Ambulante Betreuung

Die meisten Zentren bieten stabilisierten Patienten nach ihrem stationären Aufenthalt ambulante Kontrolluntersuchungen an. Diese gewährleisten, dass die Menschen weiterhin gut medikamentös eingestellt sind. Rückfällen kann somit vorbeugt werden.

Die meisten psychischen Erkrankungen sind chronisch und erfordern eine lebenslange Medikamenteneinnahme. Die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen sind dabei notwendig, um evtl. notwendige Neujustierungen der Therapie vorzunehmen (Anpassung der Dosis oder der Wirkstoffe). Gleichzeitig dienen die ambulanten Sprechstunden auch der Aufklärung der Familienangehörigen über die gute Betreuung psychisch erkrankter Menschen und somit der Gewährleistung der Therapieadhärenz.
Einige Partnerzentren ermöglichen eine wohnortnahe ambulante Versorgung, um den Patientinnen und Patienten die weiten Anfahrtswege zu ersparen. Dazu bieten die medizinischen Teams Sprechstunden in mehreren Außenstellen an, oft im monatlichen Rhythmus. Sie kooperieren dabei mit anderen, meist medizinischen Einrichtungen, die kostenfrei geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Im Idealfall übernehmen diese Kooperationspartner auch die konstante Versorgung der ambulanten Patienten mit Psychopharmaka.


Ambulante Betreuung, Hausbesuche

Damit die Rückkehr in den Alltag gelingt, spielen regelmäßige Hausbesuche im Genesungsprozess der Betroffenen eine wichtige Rolle. Im engen Austausch mit der Familie können entstehende Fragen und Probleme zeitnah aufgefangen werden.

Hausbesuche stellen eine besondere Form der ambulanten Betreuung dar: Sie haben neben der Sicherstellung der Medikamenteneinnahme insbesondere die erfolgreiche soziale Wiedereingliederung der Betroffenen zum Ziel. Aufgrund der noch stark verbreiteten Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen ist es wichtig, die Familien zu stärken.
Zur Vermeidung von Rückfällen erhalten sie Hinweise zu den besonderen Anforderungen in der Betreuung erkrankter Mitglieder und werden über Frühwarnsignale für Krisen informiert. Auch die Möglichkeiten von erkrankten Angehörigen, sich im Haushalt oder bei der Einkommensgewinnung einzubringen, sind Themen bei Hausbesuchen.
Diese Aufgaben übernehmen – je nach personeller Ausstattung des Zentrums – eigene Mitarbeitende oder Freiwillige, die für diese Einsätze geschult wurden und eine Aufwandsentschädigung erhalten.  


Hausbesuch bei stabilisierten Patienten

Kinafou verbrachte fünf Jahre als Patientin im CJK. Die heute 47-Jährige leidet unter einer schizophrenen Psychose, die lange erfolglos durch traditionelle Heiler behandelt wurde. Jetzt ist sie stabil und kann ihren Lebensunterhalt als Lehrerin selbst sichern.

 Auch Kinafou hat – wie so viele psychisch erkrankte Menschen in der Elfenbeinküste – eine längere Krankheitsgeschichte mit mehreren Behandlungsversuchen hinter sich. Ihre Erkrankung brach 2003 nach einigen traumatischen Erlebnissen aus: Sie hörte Stimmen, hatte Halluzinationen und konnte nicht schlafen. Als gläubige Christin suchte sie erst Zuflucht bei religiösen, dann bei traditionellen Heilern. 2005 kam sie dann zum Centre Jubilé, wo sie eine psychiatrische Diagnose sowie die notwendigen Medikamente erhielt. Sie blieb nach ihrer Stabilisierung einige Zeit im Zentrum und brachte sich ehrenamtlich in die Unterstützung der Patienten ein. Auf Anregung von Sr. Janine absolvierte sie 2011 erfolgreich eine pädagogische Ausbildung und arbeitet seither in Korhogo als Lehrerin. 2015 erlitt sie jedoch einen schweren Rückfall, der eine erneute stationäre Aufnahme im Centre Jubilé notwendig machte. Um auftretende Probleme frühzeitig zu erkennen und erneuten Rückfällen vorzubeugen, wird Kinafou von einem CJK-Mitarbeiter durch regelmäßige Hausbesuche begleitet. Sie hat sich endlich mit einem neuen Lebenspartner und ihrer kleinen Tochter ein gutes Familienleben sowie eine wirtschaftliche Selbstständigkeit aufgebaut.


Aufklärung

Der Kampf gegen die Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen sowie fehlendes Wissen über die Behandlungsoptionen ist ein großes Anliegen der Partnerzentren. Daher engagieren sie sich in der Aufklärung der Bevölkerung – in kulturell angemessener Form.

Ursachen, Bedeutung und Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten werden dargestellt, um den Menschen die Hintergründe zu erklären und damit die Angst vor der Krankheit zu nehmen. Poster, Flyer und andere Materialien vermitteln mit einfachen Worten und teils mit Hilfe von anschaulichen Bildern die wichtigsten Informationen. Auch Straßentheater und Filme zum Thema werden zur Aufklärung eingesetzt: Diese ziehen typischerweise viele neugierige Menschen an und ermöglichen über eine lockere, humorvolle Aufbereitung einen einfachen Zugang zur sonst schwierigen Thematik.
Jedes Partnerzentrum hat für seine Informationskampagnen andere, jeweils passende Mittel und Wege gefunden - wichtig ist nur, dass möglichst viele Menschen erreicht werden und damit der Zugang von psychisch erkrankten Menschen zur Behandlung erleichtert wird!


Der Weg von der Obdachlosigkeit in die Behandlung

Die Aufnahme obdachloser, psychisch erkrankter Menschen erfolgt mit einem Team von erfahrenen Mitarbeitenden. Diese haben mit den Betroffenen im Vorfeld einen guten Kontakt aufgebaut. Einige Körperpflegemaßnahmen werden direkt an Ort und Stelle umgesetzt, ebenso die Ausstattung mit frischer Kleidung. Danach erfolgt der Transport in das psychiatrische Akutzentrum zur stationären Aufnahme und Behandlung.

Die Collage vermittelt einen Einblick in den typischen Ablauf, wie die Association St. Camille in Bouaké psychisch erkrankte Menschen auf der Straße kontaktiert und für die psychiatrische Behandlung im Zentrum vorbereitet. Jährlich werden auf diese Weise ca. 20 obdachlose Patientinnen und Patienten aufgenommen – mehr ist aufgrund der begrenzten Bettenkapazität nicht zu leisten. Die Schwierigkeit der Betreuung dieser Erkrankten liegt v.a. in der Tatsache begründet, dass sie meist den Kontakt zu ihrer Familie verloren haben, zum Teil sogar aus ganz anderen Regionen des Landes oder der Nachbarländer stammen. Die Suche nach den Familien nimmt daher viel Zeit in Anspruch und die Reintegration ist häufig mühsam, trotz erfolgter Stabilisierung der Erkrankten.
Bei besonders schweren Krankheitsverläufen sind die Betroffenen teilweise nicht mehr in der Lage zu sprechen oder ihren eigenen Namen und Herkunftsort zu benennen. Dann wird die Suche nach der Familie besonders aufwendig oder verläuft manchmal auch erfolglos. Diese Patientinnen und Patienten bleiben dann als „Dauergäste“ in den Zentren.  


Angebote für ergänzende Therapie und Rehabilitation

Stabilisierte Patientinnen und Patienten erhalten in den Partnerzentren Angebote zur Wiederherstellung von Alltagskompetenzen und zur Stärkung ihrer Arbeitsfähigkeit.

Dies erleichtert ihre Rückkehr in die Familie und verbessert ihre Chance auf ein selbständiges Leben. Zentral sind dabei im afrikanischen Kontext verschiedene landwirtschaftliche Tätigkeiten, die auf den zentrumseigenen Feldern und Gärten umgesetzt werden. Aber auch kreative und handwerkliche Aktivitäten wie Nähen, Weben, Batiken oder Mosaikgestaltung stoßen auf großes Interesse.

Auf der Collage sind Beispiele aus unterschiedlichen Partnerzentren zu sehen, die – je nach eigenen Möglichkeiten – Angebote für die von ihnen betreuten Menschen entwickelt haben. Einige Beispiele:

Ø  Im Centre Jubilé wird auf einer eigenen Farm, einige Kilometer außerhalb von Korhogo, Hühnerzucht betrieben. Außerdem gibt es einen Gemüsegarten, eine Mangoplantage sowie Felder für Grundnahrungsmittel wie Mais oder Erdnüsse.

Ø  Die Association St. Camille in Bouaké hat zwei Rehabilitationszentren aufgebaut, je eine für Frauen und für Männer. Im Stadtteil Dar Es Salam werden vorwiegend landwirtschaftliche Tätigkeiten durchgeführt, während im Zentrum in Belleville handwerkliche Kenntnisse vermittelt werden, wie z.B. Nähen oder Seifenherstellung.

Ø  Das Centre Notre Dame de l’Espérance ermöglicht seinen stabilisierten Patienten ebenfalls, sich in den beiden Rehazentren in Doufiguisso beruflich vorzubereiten. Kunsthandwerkliche Aktivitäten wie Mosaikherstellung, Weben oder Batiken werden im Zentrum in Bobo-Dioulasso durch einen lokalen Künstler angeleitet.


Wir sind sehr dankbar für die vielfältige Unterstützung bei der Entwicklung, Produktion und Ausarbeitung dieser Ausstellung. Insbesondere danken möchten wir:

  • Roland Marske und Michael Lieder für die tollen Fotos
  • Alexander Pegrisch für die tatkräftige und engagierte Mitwirkung an der Konzeption
  • Der Volksbank Reutlingen für die finanzielle Unterstützung der Produktion
  • Und natürlich auch unseren vielen aktiven Mitgliedern für die Erstellung und Qualifizierung der Texte: Anna Beckh, Renate Of, Marion Krieg, Andrea Krainhöfer, Petra Zimmermann-Steinhart und anderen
  • Dr. Eva Sodeik-Zecha unserer Geschäftsführerin von Menschen ohne Ketten e. V., die es mit Beharrlichkeit geschafft hat, den Überblick zu behalten

  • und last but not least unserem „Allround-Mitglied“ Michael Lieder für all die praktische Vorbereitung der Ausstellung, technische Beratung und die gesamte Umsetzung für unsere Webseite