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Aktuelles

Rundbriefe

Rundbriefsammlung - Menschen ohne Ketten

Neuigkeiten aus dem Verein sowie einen Ausblick auf die nächsten Monate möchten wir wie gewohnt übermitteln.
Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit in diesem tropischen Sommer und bleiben Sie gesund!
Eva Sodeik-Zecha und der Vorstand

2023 Juli

Nouvelles 1. Halbjahr 2023

Das Jahr 2023 startete mit der Weiterführung der meisten laufenden Förderungen. Im Frühjahr standen jedoch die Abschlüsse von gleich zwei unserer großen, extern finanzierten Programme an. Darüber gibt es ein paar Details zu berichten, ebenso wie über die Entwicklung in der Zusammenarbeit mit unseren beiden neuen Partnerorganisationen, ABASMEI in Ouagadougou sowie ADIAS in der Elfenbeinküste.

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Im Austausch auf neue Wege stoßen

UCI Korhogo CJK Centre Jubile Korhogo Coul mit Patientin 001nser Koordinator in der Côte d’Ivoire, Adama Coulibaly, war im Juli 2023 wieder auf Arbeits-Besuch in Reutlingen. Er nutzte die Zeit für den Austausch mit dem Vereinsvorstand und der Geschäftsführung, aber auch für mehrere Treffen mit Mitgliedern. So auch ein Gespräch mit unserem Mitglied Renate Of, die mehr über die Ursprünge und seine Motivation zur Zusammenarbeit mit Menschen ohne Ketten erfahren wollte.

Hier ihr Bericht:

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Reisen erweitert den Horizont

Diese Erfahrung machte auch die Ärztin Dr. Evaline Sawadogo aus Burkina Faso bei ihrem Besuch in Reutlingen vom 5. bis 23. März. Seit vielen Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich im psychiatrischen Zentrum von Bobo-Dioulasso, dem Centre Notre Dame de l’Espérance. Und nun erlebte sie im Rahmen einer vom Verein oganisierten Hospitation die große Bandbreite der gemeindepsychiatrischen Angebote in Reutlingen. Neben den unterschiedlichen Behandlungsangeboten der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik (PP.rt) lernte Dr. Evaline Sawadogo auch die Arbeit in verschiedenen betreuten Wohnformen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung in der Gemeindepsychiatrie kennen, sei es im Rahmen von Einzelbetreuung, Paarwohnen und dem Leben in Wohngemeinschaften bei den Gemeindepsychiatrischen Hilfen (GP.rt) oder in einer Gastfamilie beim Verein für Sozialpsychiatrie (VSP). Evaline Sawadogo ist beeindruckt: “Ich bewundere das umfassende und qualitativ hochwertige Versorgungsangebot, das auf die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten eingeht. Ganz toll finde ich die Möglichkeit, eine umfassende häusliche Betreuung in Anspruch zu nehmen, die sogar durch staatliche Leistungen oder die Krankenversicherung getragen wird – das gibt es bei uns leider nicht!”

Besonders gefallen hat der Ärztin die Musiktherapie, denn sie ist überzeugt: „Musik hat nonverbale und emotionale Qualitäten, die zu einem besseren Wohlbefinden der Menschen beitragen können“. Auf großes Interesse stieß auch das Kontaktcafé im Zentrum für Gemeindepsychiatrie in Reutlingen, das einen geselligen Rahmen Kontakt und Freizeitgestaltung ermöglicht.

Neben den vielfältigen fachspezifischen Erfahrungen kamen auch die persönlichen Begegnungen mit Mitgliedern unseres Vereins nicht zu kurz. So wohnte sie mit ihrem kleinen Sohn während ihrer Hospitation bei einem Vereinsmitglied, was neben der Begleitung im Alltag der beiden auch vielfältige weitere Begegnungen und Einladungen mit sich brachte. Andere Mitglieder ermöglichten Ausflüge in der weiteren Umgebung. Es war eine spannende Zeit für Dr. Evaline Sawadogo, die sicher noch lange an ihre Erlebnissen zurück denkt.
“Ich möchte allen von Herzen danken für die vielen lehrreichen Erfahrungen. Sie haben mich mit offenen Armen empfangen, was meinen Aufenthalt sehr angenehm gemacht hat!”

Beten für die Gesundheit

In Westafrika ist für viele psychisch erkrankte Menschen der Weg in eines der vielen „Gebetszentren“ mit der Hoffnung verbunden, mit Hilfe des Glaubens und starker Gebete von ihrem Leiden befreit zu werden. Leider führt die „Behandlung“ in einiger dieser Zentren eher zu zusätzlichen Problemen als zu einer Lösung:

Oft werden die Betroffenen erneut angekettet und isoliert. Im schlimmsten Fall versuchen die Verantwortlichen die (vermuteten) Dämonen mit drakonischen Maßnahmen auszutreiben. Nahrungsentzug, Schläge oder Kaltwassergüsse verschlechtern aber fast immer den Gesundheitszustand der Patient*innen und führen – bei längerer Anwendung – im schlimmsten Fall zu Todesfällen. Die Problematik der menschenrechtswidrigen Praktiken für psychisch Kranke in Gebetszentren ist weltweit verbreitet, wie der Bericht „Living in chains“ von Human Rights Watch im Jahr 2020 deutlich machte. Auch in unseren Partnerländern – der Elfenbeinküste und Burkina Faso – existieren viele Gebetszentren, meist in Verantwortung evangelikaler Kirchen. Sie werden stark nachgefragt: weil die Bevölkerung sehr gläubig ist, aber auch aufgrund ihrer starken räumlichen Verbreitung und der meist kostengünstigen Aufnahme.

Neue Wege in der Hilfe für psychisch Erkrankte

Da sich unser Verein dem Ziel verschrieben hat, Menschen mit psychischen Erkrankungen von ihren Ketten zu befreien, müssen wir uns auch diesem schwierigen Thema annehmen. Startpunkt in der Elfenbeinküste ist seit November 2022 die Kooperation mit einer protestantischen Kirche, der CMA, die selbst über 400 Gebetszentren im Land betreibt. Seit 2022 sind wir im Gespräch mit ADIAS, der entwicklungsorientierten Einheit der Kirche, um die Problematik der Misshandlungen sowie der fehlenden medizinischen Behandlung in den Zentren zu lösen. Dreh- und Angelpunkt sind dabei die Verantwortlichen der Gebetszentren, die sog. Propheten: Wenn diese nicht in der Lage sind, eine schwere psychische Erkrankung zu erkennen bzw. sich weigern, diese von einem medizinischen Experten medikamentös behandeln zu lassen, geht das unnötige Leiden der betroffenen Menschen weiter.

Daher freuen wir uns sehr, dass wir im Rahmen eines ersten Pilotprojekts gemeinsam mit ADIAS versuchen, das Problem bei der Wurzel zu packen: In rund 180 Gebetszentren im Westen des Landes wurden die Verantwortlichen zur Behandlung psychisch kranker Patient*innen befragt. Deutlich wurde, dass es in der Tat ein Defizit der Wahrnehmung psychischer Erkrankungen gibt. Drei regionale Fortbildungen mit jeweils 50-60 Verantwortlichen von Gebetszentren konnten im Februar und März 2023 bereits die Grundlage für ein verbessertes Verständnis der psychiatrischen Krankheitsbilder sowie den richtigen Umgang mit Erkrankten legen. Geplant ist weiterhin, in Kooperation mit den lokalen Gesundheitsdiensten eine fachliche Behandlung für psychiatrische Patient*innen der Gebetszentren anzubieten.

Mit dieser Kooperation wollen wir wichtige erste Schritte unternehmen, um humanere Bedingungen für die betroffenen Menschen in Gebetszentren zu ermöglichen. Uns ist bewußt, dass es ein langer Weg ist, bis alle Menschen mit psychischen Erkrankungen eine adäquate Behandlung erhalten – und wir hoffen dabei auch auf Ihre Unterstützung!  

Frauen im Fokus

Es ist selbstverständlich, dass die psychiatrische Hilfe unserer afrikanischen Partnerzentren Frauen wie Männern zugutekommt, sind sie doch gleichermaßen von psychischen Jatdinage 4Erkrankungen betroffen. Es gibt jedoch einige besondere Herausforderungen für Frauen, die leider oft übersehen werden:

So wird häufig die Rückkehr zum Ehemann verweigert oder der Zugang zu den eigenen Kindern blockiert, was die Gesundung der betroffenen Frauen deutlich erschwert. Ohne Einkommen werden sie außerdem als wirtschaftliche Last für die Familie betrachtet, die Kosten für Medikamente und Lebenshaltung tragen muss. Dabei sind Frauen im kulturellen Kontext Westafrikas dringend auf einen familiären Rahmen angewiesen: Alleinlebende Frauen gehen nicht nur wirtschaftliche und Sicherheits-Risiken ein, sondern werden zudem eines unmoralischen Lebensstils verdächtigt.

Neue Wege im Centre Notre Dame de l’Espérance (CNDE)

Formation sur le jardinage 2Unser Partnerzentrum CNDE in Bobo-Dioulasso/Burkina Faso hat bereits 2021 begonnen, sich um angemessene Lösungen für seine Patientinnen zu bemühen: Im ersten Schritt baute der Träger bis Ende 2021 ein Reha-Zentrum im Dorf Doufiguisso speziell für Frauen auf. Um dieses mit Leben zu füllen, entwickelte das CNDE ein Projekt zur Ausbildung und Empowerment von 25 Frauen, deren Gesundheitszustand stabil ist.


Für diese wichtige Aufgabe akquirierte der Freundeskreis St. Camille eine Projektförderung der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) für das Jahr 2022. Ende Dezember 2022 wurden die vielfältigen Aktivitäten nun abgeschlossen – mit tollem Erfolg! Alle beteiligten Frauen konnten ihre persönlichen Kompetenzen erweitern, z.B. durch einen Alphabetisierungskurs in Französisch und einer Lokalsprache.Moore 1024x767
20 Frauen nahmen an einer umfassenden Ausbildung im Gemüseanbau teil. Diese Kenntnisse bieten ihnen für die Zukunft Chancen auf eigenes Einkommen. Weitere Maßnahmen zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Widerstandskraft gegenüber besonderen Belastungen ergänzten das „Empowerment“ der teilnehmenden Frauen. Besonders freut uns, dass bis Dezember 2022 bereits für 50% der Teilnehmerinnen eine Rückkehr in ihre Familien ermöglicht wurde. Das ist im lokalen Kontext eine beachtliche Leistung!

Wir werden uns als Verein weiterhin intensiv um die spezifische Förderung von erkrankten Frauen bemühen. Hier sind noch viele Anstrengungen nötig, um den Betroffenen gleiche Chancen nicht nur für die Behandlung, sondern auch für die Rückkehr in ein normales Familienleben zu ermöglichen!